Donnerstag, 20. Januar 2011

Zeitarbeit: Flexibel, billig und schnell kündbar!

Bericht aus Stern TV - gefunden von Uwe H.
Sie bezeichnet sich als "moderne Sklavin". Sevinc Karatoc gab ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auf, um bei Volkswagen in Wolfsburg eine Stelle als Zeitarbeiterin anzunehmen. Die Hoffnung: irgendwann einmal eine Festanstellung bei VW, einem Konzern, bei dem auch schon der Vater Jahrzehnte gut und gerne gearbeitet hat. Doch die Hoffnung erfüllte sich nie. Stattdessen gab es Unmengen von Nacht- und Wochenendschichten, sie musste an Feiertagen ran und die Verträge wurden immer erst auf den letzten Drücker verlängert. Unsicherheit pur.

Karatoc steht stellvertretend für ein ganze Armee von Beschäftigten, die sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln. Unternehmerisches Risiko wird so vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer übertragen. Die Drogeriekette Schlecker gründete sogar die Vermittlungsagentur Meniar, um die eigenen Beschäftigten durch billigere Leiharbeiter zu ersetzen und löste damit eine Welle des Protestes aus.

Unternehmen nutzen Zeitarbeit aus!
In Deutschland gibt es rund eine halbe Millionen Zeitarbeiter - rund ein Drittel weniger als noch 2008, zu Beginn der weltweiten Wirtschaftskrise. Leiharbeiter gehören zu den ersten, die in der Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben. Sie sind überwiegend männlich, jung und gering qualifiziert. Ein Viertel ist jünger als 25 Jahre, rund jeder Dritte hat lediglich einen Hauptschulabschluss oder Mittlere Reife ohne Berufsausbildung.

Die IG Metall geht davon aus, dass der kommende Aufschwung die Zahl der Zeitarbeiter wieder drastisch erhöhen wird. Die Krise hätte gezeigt, wie einfach Leiharbeiter entlassen werden können, argumentiert die Gewerkschaft. Das sei ein starker Anreiz, auch bei steigendem Umsatz verstärkt auf Leiharbeiter zu setzen.

Zeitarbeit ist längst viel mehr als nur ein Instrument zur Überbrückung von kurzfristigen Personalengpässen. Eine Studie des Sozialwissenschaftlers Klaus Dörre von der Universität Jena zeigt, dass die Leiharbeit zunehmend "strategisch" eingesetzt wird. Strategisch bedeutet: Die Personalkosten sollen sinken, um die Rendite abzusichern. die IG Metall erwartet, dass es mittelfristig bis zu 2,5 Millionen Leiharbeiter in Deutschland geben könnte. Das wären ungefähr neun Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

2004 wurde die Branche unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung radikal liberalisiert. Seitdem wächst diese Beschäftigungsform so stark wie keine andere in Deutschland. Das "Jobwunder" der Jahre 2005-2008 geht zum größten Teil auf das Konto der Zeitarbeit. Andererseits spaltet diese Branche die Gesellschaft gnadenlos - in gut abgesicherte Stammbelegschaften und jederzeit austauschbare Randbelegschaften. In Menschen, die gelassen in die Zukunft schauen können und Menschen, die nie wissen, was übermorgen kommt. In solche, deren Arbeit immer mehr wert wird und solche, deren Arbeit systematisch entwertet wird: Das Einstiegsgehalt für einfache Tätigkeiten liegt je nach Tarifvertrag bei 7,38 Euro oder sogar nur 6,53 Euro. Im Osten sind die Löhne noch niedriger. Und auch der angebliche "Klebeeffekt" wird schön geredet: Nur etwa zehn Prozent der Leiharbeiter werden von der Firma, an die sie vermietet sind, fest übernommen.

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